Interview mit Fadri Haller im eco2friendly-Magazin Herbst/Winter 2020 über den Stellenwert und die Weiterentwicklung der Elektromobilität im Bereich Immobilien.

Der Stellenwert der Elektromobilität ist höher geworden. Speziell Immobilienbesitzer, Verwaltungen und Stockwerkeigentümer sollten sich frühzeitig Gedanken über die Ladeinfrastruktur machen, denn eine ganzheitliche Lösung sei in Mehrfamilienhäusern und Tiefgaragen unabdingbar, sagt Fadri Haller, Ferratec.

 

Pascal Grolimund, Otto Fischer AG (links) im Gespräch mit Fadri Haller, Ferratec Technics AG (rechts)
Pascal Grolimund, Otto Fischer AG (links) im Gespräch mit Fadri Haller, Ferratec Technics AG (rechts)

 

Die Elektromobilität hat sich in den letzten zehn Jahren stark entwickelt. Wie sind Ihre Erfahrungen als Anbieter von Ladelösungen?
Wir haben viel beraten und viele Offerten gemacht, es wurde jedoch wenig umgesetzt. Die Investitionskosten in eine Ladeinfrastruktur wurden als hoch empfunden, da der Nutzen nicht klar war. Seit etwa zwei Jahren merken wir nun, dass der Stellenwert der Elektromobilität höher geworden ist. Viele verstehen die Notwendigkeit einer Ladeinfrastruktur. So hat sich der Umsatz in diesem Bereich innerhalb eines Jahres verdoppelt und ich denke, das geht so weiter.

Was empfehlen Sie jemandem, der ein Haus bauen möchte bezüglich einer Ladeinfrastruktur?
Einfamilienhausbesitzer müssen nicht viel beachten. Für die Ladestation gibt es Normen. So kann man eigentlich mit jeder Ladestation jedes Fahrzeug laden. Natürlich muss man Berechnungen der vorhandenen Energie machen. Wenn man auf dem Dach eine Solaranlage hat, dann sollte man dies berücksichtigen, denn dann kann man den überflüssigen Strom für das Fahrzeug verwenden.

Was muss man diesbezüglich bei Mehrfamilienhäusern oder in Tiefgaragen beachten?
Es ist extrem wichtig, dass Immobilienbesitzer, Verwaltungen oder Stockwerkeigentümer sich auf eine einheitliche Lösung einigen – und dies bereits ab der ersten Ladestation. Werden Einzellösungen umgesetzt, sind Probleme vorprogrammiert, wenn die Elektromobilität sich weiterhin so rasant entwickelt. Eigentümer müssen sich Gedanken machen bezüglich der Energie, die zur Verfügung steht, und darüber, wie viele Fahrzeuge noch dazukommen könnten in den nächsten fünf oder gar zehn Jahren. Meist ist es sinnvoll, bereits zu Beginn ein Lastmanagementsystem einzubauen. Zumindest sollte man die Elektroinstallation so vorbereiten, dass künftig einfach Ladestationen installiert werden können.

Nehmen wir an, ein Stockwerkeigentümer kauft ein Elektroauto und bekommt dazu eine Ladestation. Was muss er beachten?
Der erste Stockwerkeigentümer, der eine Ladestation in einem Mehrfamilienhaus installieren möchte, sollte bereits die anderen Eigentümer miteinbeziehen. Denn es ist ziemlich sicher, dass er diese Ladestation nicht mehr brauchen kann, sobald weitere Eigentümer sich ein Elektrofahrzeug anschaffen. Kann man sich mit den anderen Eigentümern nicht einigen, dann sollte zumindest eine vernetzbare Ladestation gewählt werden. Ebenso gilt es zu beachten, wie der Strom abgerechnet wird. Der erste Gedanke ist oftmals, die Ladestation beim Wohnungszähler anzuhängen.
Das funktioniert bei einer Ladestation gut. Aber sobald es zwei oder mehrere Fahrzeuge sind, kann es beim Laden zu einer Netzüberlastung kommen. Damit dies nicht geschieht, braucht es ein Lastmanagement.

Wie muss ein Mieter vorgehen, wenn er sich ein Elektrofahrzeug kauft und eine Ladestation in der Tiefgarage installieren möchte?
Der Mieter hat die Pflicht, sich beim Eigentümer zu melden, wenn er eine Ladestation installieren möchte. Die Verwaltung müsste sich dann um eine Lösung kümmern. Viele Verwaltungen sind mit der Elektromobilität jedoch noch nicht vertraut, und sie erlauben dem Mieter, irgendeine Ladestation zu installieren. Manchmal werden Ladestationen einfach am Allgemeinstrom angehängt. Und wenn dann andere Mieter die Verwaltung darauf ansprechen, wie der Strom für diese Ladestation abgerechnet wird, fällt auf, dass da etwas nicht ganz richtig gelaufen ist. Wir bekommen dann einen Anruf, wie das Problem gelöst werden kann.

Der Elektriker ist derjenige, der die Ladestationen installiert. Benötigt er ein spezielles Wissen, um sie zu installieren?
Um eine Ladestation anzuschliessen, ist grundsätzlich kein Spezialwissen notwendig. Die Ladestation dann in Betrieb zu nehmen und zu konfigurieren, ist jedoch nicht ganz so einfach und vor allem zeitintensiv, wenn das entsprechende Wissen nicht vorhanden ist. Deshalb ist es sinnvoll, wenn sich der Installateur weiterbildet. Für Elektriker bieten wir Schulungen an, auch zusammen mit eco2friendly.

Um den Ladestrom abrechnen zu können, braucht es Softwarelösungen – auch Ferratec hat eine entwickelt.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Abrechnung. Mobilecharge, die wir entwickelt haben, war zu Beginn eine einfache Abrechnungslösung für Verwaltungen, mit der die bezogene Energie dem Benutzer in Rechnung gestellt werden konnte. Mittlerweile gibt es eine Schnittstelle zu den Elektrizitätswerken, welche die bezogene Energie ihren Abonnenten direkt mit der Stromabrechnung weiterverrechnen können. Es gibt auch Schnittstellen für Firmen, die ihre Flotten auf elektrisch setzen, hier funktioniert unsere Lösung als Datenlieferant fürs ERP und geht bis in die Lohn- und die Spesenabrechnung.

Im Normalfall wird das Elektroauto zu Hause geladen. Gibt es Ihrer Meinung nach aber genügend Möglichkeiten für das Laden unterwegs?
Ich fahre seit eineinhalb Jahren nur noch elektrisch. In dieser Zeit musste ich etwa fünfmal unterwegs laden. Man muss mit den heutigen Elektrofahrzeugen nicht mehr am Abend vorher die Ladestationen heraussuchen und sich überlegen, wo man am besten eine Kaffeepause einlegt, um zu laden. Das Auto nimmt einem dies ab. Ein wichtiger Vorteil beim Elektroauto ist doch, dass man automatisch jeden Morgen einen vollen «Tank» hat. Und für die wenigen Male im Jahr, an denen man längere Fahrten macht, gibt es in der Schweiz in kurzer Distanz auf vielen Raststellen Ladestationen.

Bei öffentlichen Ladestationen muss man oftmals Mitglied sein, um laden zu können. Die Abrechnung ist dabei nicht immer so einfach. Wie sehen Sie dies?
Die Abrechnung ist tatsächlich nicht immer so einfach. Man kann unterwegs nicht einfach einstecken und laden. Es gibt mittlerweile gar einen Wildwuchs an Tarifen und an Abrechnungsvarianten. Aus Sicht des Nutzers finde ich am schlimmsten, dass ich beim Einstecken nicht weiss, welcher Tarif verrechnet wird. Manchmal gibt es beim Laden, wie beim Handy, sogenannte Roaming-Gebühren. Das ist tatsächlich nicht befriedigend und nicht für die breite Masse tauglich. Natürlich bin ich bereit, auswärts mehr zu bezahlen als zu Hause, aber nicht das Zehnfache. Ich bin überzeugt, dass dies ändern muss und auch wird.

Welches sind künftig die grössten Herausforderungen bezüglich der Elektromobilität? Aktuell sind wir bei etwa 5 Prozent Neuzulassungen. Was, wenn es 30 oder 40 Prozent sind?
Eine Herausforderung wird es auf der Netzseite geben, Situationen im Quartier müssen berücksichtigt werden. Wir sind mit EW in Kontakt, die sich diesbezüglich bereits heute Gedanken machen, denn die Netzstabilität steht allenfalls auf dem Spiel. Deshalb möchten die EW auf die Ladesituation Einfluss nehmen können. Hier kommt auch die Speicherproblematik zum Zuge, die Technologie muss noch entsprechend Fortschritte machen. Wichtig ist auch, dass die Verwaltungen und die Stockwerkeigentümer die Ladeinfrastruktur zu Beginn richtig planen. Das Ganze ist ein komplexes Thema, und es wird auf alle Fälle spannend bleiben.

Interview: Pascal Grolimund, Otto Fischer AG, Text: Judith Brandsberg

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